Herstellungsort des Originals: wahrscheinlich Süddeutschland.
Gesamtlänge: 144 cm
Lauflänge: 102 cm
Gewicht: 5800 g
Innen glatter Lauf mit einem Laufkaliber von 18 mm.
Schäftung aus dunkel gebeiztem und geöltem Buchenholz. Hölzernem Ladestock ohne Metalldopper.
Früher Schnappschloss-mechanismus mit separat beweglichem, geriffeltem Feuerstahl und separatem Abzug. Kombiniert mit einem durch einen langen Abzugshebel bedienbaren Luntenhahn. Gemeinsame Pfanne mit gefedertem Schiebedeckel. Oktagonaler in rund übergehender sich zur Mündung leicht verjüngender Lauf. Die Visiereinrichtung bestehend aus einem oben geschlitzten, trichterförmigen Röhrenvisier und eingelötetem Korn. (zur Beschreibung des Originals vgl. Geibig, Gefährlich und schön, Coburg 1996).
Weltweit sind nur vier originale Exemplare in dieser Ausführung bekannt. Das Coburger Exemplar mit ergänztem Vorderschaft und Abzugshebel. Das am besten erhaltene Kopenhagener Exemplar mit originaler Abzugsstange und unbeschädigtem Schaft. Hier wurde lediglich die obere Hahnlippe und die Hahnschraube erneuert. Zwei weitere, allerdings sehr schlecht erhaltene Exemplare befinden sich in Dresden und Nürnberg. Frühe Schnappschlösser dieses Typs verwendeten anstatt des Feuersteins noch den poröseren Pyrit, welcher sehr genau eingestellt werden musste um den Schlag auf den geriffelten Feuerstahl heil zu überstehen. Diese relativ unzuverlässige Art des Schnappschlosses wurde hier zu Sicherheit mit einer Luntenzündung kombiniert und ist aufgrund seiner kurzen Verbreitungsdauer nur in wenigen Exemplaren erhalten.
Unterschiede dieser Waffe zum typischen Petronel (Petrinal):
Das Petronel, alt-französich petrinal bzw. petrinel, abgeleitet von peitrine , petrine , französisch poitrine (die Brust) beschreibt eine Feuerwaffe mit stark gebogenem Kolben, den der (berittene) Schütze beim Schiessen auf die (Harnisch-)Brust stützte.
Nach Robert Barret (Theorike and Practike of Modern Warres, 1598) handelte es sich bei einem Petronel immer um eine Feuerwaffe für Berittene.
Nach Jähns, Kriegswissenschaften 1889, Bd. 1, S. 651 auch unter dem Namen Petrinal, Reiterbüchse, Bandelierarkebuse, Carabiner geführt. Jedenfalls handelte es sich um eine reine Kavalleriewaffe, die im Prinzip seit ca. 1460 (hier noch unter dem Namen scobitus) im Gebrauch war und auch im 16. Jahrhundert nicht mehr als 4 Fuß (ca. 1,20 m) mass, bei einem Gewicht von meist weniger als vier kg. Nachfolgend zwei Beispiele für ein typisches Petrinal:
Luntenschlosspetrinal, Frankreich, Ende 16. Jahrhundert. Schaft mit Perlmut- und Messingeinlagen. |
Luntenschlosspetrinal, Frankreich ca. 1570 bis 1580. Länge ca. 120 cm. Der stark verkürzte und extrem abgewinkelte Kolben verdeutlicht den Einsatz dieser fast pistolenähnlichen Waffe zu Pferd. |
Diese beiden Beispiele machen deutlich, das es sich bei der eingangs beschriebenen Waffe mit einer Gesamtlänge von immerhin 144 cm und nahezu 6 kg Gewicht nicht um eine Reiterwaffe, sondern vielmehr um eine Infanteriewaffe handelt. Die Erklärung bringt W. Boeheim auf S. 460. Die dort aufgeführte Abbildung Nr. 540 zeigt eine Muskete mit Luntenschloss und Kolben nach alter spanischer Form, culatta castellana genannt:
Am Anfang des 16. Jahrhunderts trugen die die spanischen, später auch die niederländischen und französischen Hakenschützen bis zum Ende des 16. Jahrhunderts diese Art von Gewehren mit dem abwärts gebogenen Kolben.
Dass sich Musketen bzw. Hakenbüchsen mit dieser Schäftung zu Beginn des 17. Jahrhunderts in großen Mengen auch noch in deutschen Zeughäusern und Arsenalen befanden, beweist die Stellungnahme des bayerischen Obersten Alexander von Haslang in einem Musterungsbericht aus dem Jahr 1606 an den Herzog: "Desgleichen sein die krumpe spanische Haggen [deren sich viele in den Zeughäusern der Städte befinden] viel mehr schad als nutz. Die Rohr sein zwar trefflich guett, wann sie nur nach yetzigem gebrauch nach geschefft [geschäftet wären]. (HSt.A. München, Staatsverw. Nr. 2318, Militaria Nr. 2; vgl. auch Engerisser 2007, S. 544).
Dieser neue Anpruch an die Bewaffnung der Infanterie zu Beginn des 17. Jahrhunderts bewirkte, dass in der Folge fast alle mit den alten gebogenen spanischen Kolben versehenen Haken und Musketen umgearbeitet wurden. Dies ist sicher einer der Gründe, warum sich kaum eine dieser Waffen in seiner ursprünglichen Form bis auf unsere heutigen Tage erhalten hat. Die einzigen Ausnahmen bilden einige reicher verzierte Exemplare wie das links abgebildete bzw. solche mit aufwändiger Mechanik, wie der oben beschriebene Halbe Haken mit Schnapphahn-Lunten-Kombinationsschloss.
Diese beiden Abildungen zeigen spanische Truppen der Jahre 1576 und 1577 mit Musketen bzw. Halben Haken mit krummer Schäftung in spanischem Stil (culatta castelana). Auf der oberen Abbildung kann man deutlich erkennen, dass der Kolben dieser Musketen nicht, wie beim Petrinal, an die Brust gepresst, sondern wie bei einer modernen Pumpgun mit der rechten Hand pistolenartig gehalten wird.
Beide Abbildungen sind Ausschnitte aus den Geschichtsblättern von Franz Hogenberg (1538-1590). Oben die Einnahme Antwerpens durch die Spanier im Jahr 1576. Der linke Bildausschnitt zeigt den Einzug des österreichischen Erzherzogs Matthias in Antwerpen im Jahr 1577, eskortiert von spanischer Infanterie.
Aufsicht auf die Replik mit Röhrenvisier, Pulverpfanne und vom Pfannendeckel getrenntem Feuerstahl.
Aufsicht auf die obere Lauffacette mit Datierung 1572 und den Übergang vom achtkantischen zum runden Rohrquerschnitt mit Zierverfeilung. Deutlich wird hier, dass es sich um ein relativ wuchtiges und schweren Rohr mit Musketencharakteristik handelt.
Gleiches Detail beim Original (Exemplar der Kunstsammlungen der Veste Coburg)
Mündungsdetail der Replik mit aufgelötetem Langkorn und Zierverschneidung. Der hölzerne Ladestock hat keinen Metalldopper.
Gleiches Detail beim Original (Exemplar Coburg). Das Schaftende ist hier nicht original sondern mit Pappelholz alt ergänzt.
Das Originalexemplar aus dem Tøjhusmuseum Kopenhagen.
Bei Bedarf zitieren Sie bitte diesen Beitrag als: Peter Engerisser, Beschreibung eines halben Hakens mit gebogenem Kolben aus dem Jahr 1572, URL 2009: www.engerisser.de/Bewaffnung/Petronel1572.html
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